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Die Wissenschaft der Brühtemperatur: Ein Blick auf die sensorische Welt des Espresso

Autorenbild: armandonappiarmandonappi

Aktualisiert: 29. Jan. 2024


Einleitung

In der Espresso-Zubereitung spielt die Brühtemperatur eine entscheidende Rolle bei der Modulation der geschmacklichen Profile. Die Wechselwirkungen zwischen Temperatur und Aromen werfen einen nüchternen, wissenschaftlichen Blick auf die Kaffeechemie. In diesem Kontext analysieren wir die sensorische Rolle der Zunge sowie die orthonasale, retronasale und gustatorische Wahrnehmung von Kaffee. Darüber hinaus betrachten wir die Auswirkungen unterschiedlicher Brühtemperaturen auf die Kopf-, Herz- und Basisnoten des Espressos und ihre Bedeutung für das Gesamterlebnis.


Sensorik


Die Sensorik der Zunge im Detail: Espresso Brühtemperatur und die faszinierende sensorische Reise

Die faszinierende sensorische Reise durch den Geschmack beginnt auf der Zunge, einem erstaunlichen Organ, das eine Vielzahl spezialisierter Geschmacksknospen beherbergt. Diese mikroskopisch kleinen Ansammlungen von Zellen, besser bekannt als Geschmacksknospen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung verschiedener Geschmacksrichtungen. Innerhalb dieser Knospen befinden sich Rezeptoren, die äußerst empfindlich auf bestimmte Geschmacksstoffe reagieren.

Die fünf Hauptgeschmacksrichtungen - süß, sauer, salzig, bitter und umami - werden durch die Aktivierung spezifischer Rezeptoren auf der Zunge wahrgenommen. Wenn beispielsweise ein süßer Stoff auf die Geschmacksknospen trifft, bindet er sich an die entsprechenden Rezeptoren, was eine elektrische Signalübertragung auslöst. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Geschmacksrichtungen, wodurch eine komplexe Kaskade von Reaktionen in Gang gesetzt wird.

Die Verbindung zwischen den Geschmacksknospen und dem Gehirn erfolgt über spezifische Nervenbahnen, insbesondere den Nervus facialis und den Nervus glossopharyngeus. Diese Nervenbahnen dienen als Übermittler von Informationen, die von den Geschmacksknospen generiert werden, an das Gehirn. Diese enge Verbindung ermöglicht eine schnelle und äußerst präzise Wahrnehmung von Geschmack.

Die Geschmacksknospen selbst sind über das gesamte Organ verteilt, wobei verschiedene Bereiche der Zunge empfindlicher auf bestimmte Geschmacksrichtungen reagieren. Diese regionale Empfindlichkeit trägt dazu bei, dass die Wahrnehmung von Geschmack äußerst nuanciert und differenziert ist.

Insgesamt bildet die Interaktion zwischen Geschmacksknospen, Rezeptoren, Nervenbahnen und dem Gehirn ein komplexes Netzwerk, das die Grundlage für unser Geschmackserlebnis bildet. Die Präzision dieser Verbindung ermöglicht es uns, die feinen Unterschiede in Aromen und Geschmacksrichtungen, wie sie bei der Verkostung von Espresso auftreten, zu erfassen und zu schätzen. Es ist dieses harmonische Zusammenspiel der Sinne, das die sensorische Reise des Kaffeegenusses so bemerkenswert und tiefgreifend macht.


Zunge, umami, bitter, sauer, süss, salzig
https://glossar.wein.plus/umami

Die Wahrnehmung von Kaffee: Orthonasal, Retronasal und Gustation

Die Wahrnehmung von Kaffee ist ein faszinierendes Zusammenspiel verschiedener Sinnesorgane und Wahrnehmungsebenen, die über die reinen Geschmacksknospen hinausgehen. Hier sind die drei Dimensionen, in die sich diese tiefgreifende Wahrnehmung gliedert:


Orthonasale Dimension

Die orthonasale Dimension bezieht sich auf das Riechen von Kaffee. Wenn Sie eine Tasse Kaffee riechen, bevor Sie sie trinken, erleben Sie die orthonasale Dimension der Kaffee-Wahrnehmung.

Retronasale Dimension

Die retronasale Dimension beschreibt die Wahrnehmung von Aromen, die beim Verzehr von Kaffee freigesetzt werden. Die Aromen werden beim Verzehr von Kaffee freigesetzt und lösen einen olfaktorischen Reiz aus. Die retronasale Aromawahrnehmung ist ein wichtiger Aspekt der Kaffee-Wahrnehmung. Sie beschreibt den Transport flüchtiger, aromatischer Verbindungen aus der Mundhöhle über den Rachenraum zu den Rezeptoren im Nasenraum. Geruchsempfindungen können durch direktes Riechen (pronasal), aber auch während des Verzehrs eines Lebensmittels (retronasal) ausgelöst werden. Dafür ist ausschlaggebend, dass zwischen Mundhöhle und Nasenhöhlen eine direkte Verbindung besteht und Geruchsstoffe somit von der Mundhöhle zur Riechschleimhaut gelangen können (DERNDORFER, 2006, NEGOIAS et al., 2008).


Gustatorische Dimension

Die gustatorische Dimension bezieht sich auf den Geschmack von Kaffee, der durch die Geschmacksknospen auf der Zunge wahrgenommen wird.

Es gibt viele Faktoren, die die Wahrnehmung von Kaffee beeinflussen können. je doch ist die gustatorische Wahrnehmung nicht für alle Menschen gleich: «Die Geschmäcker sind verschieden», so gibt es individuelle Unterschiede. Die grössten individuellen Unterschiede gibt es bei der Bitterwahrnehmung. Etwa 25% der Bevölkerung sind so- genannte «supertaster», das heisst, sie nehmen Bitterstoffe besonders intensiv wahr (Bartoshuk et al. 1996, Bartoshuk et al. 1994). Frauen sind eher «supertaster» und haben im Vergleich zu Männern tendenziell mehr Geschmacksknospen. Nicht nur das Ge- schlecht, sondern auch das Alter spielt eine Rolle, so nimmt mit zunehmendem Alter die Empfindlichkeit gegenüber den diversen Geschmacksrichtungen ab (Mojet 2004).

Bis zu 50% der Menschen sind zudem sogenannte «thermal taster»: Sobald die Temperatur der Zunge resp. der Geschmacks-rezeptoren verändert wird (z.B. mit einem Eiswürfel), wird ein Reiz ausgelöst und ein Geschmack wahrgenommen, ohne dass ein wirklicher Geschmacksträger (wie z.B. Zucker) vorhanden ist (Cruz und Green 2000, Green und George 2004). Zur Veranschaulichung: Wird ein Eiswürfel an die Zunge gehalten, wird oftmals Süsse empfunden gänzlich ohne Einsatz von Zucker. Hier gilt es zwischen der Temperatur als physikalischen Stimulus und dem Geschmacks-träger (im Beispielfall Zucker) als chemischen Stimulus zu unter- scheiden. (Agroscope 2019)


Othonasale Wahrnehmung, Retronasale Wahrnehmung, Geschmack
https://illumina-chemie.de/viewtopic.php?t=4493


 

Brühtemperatur


Ein Blick auf 86 Grad Celsius: Die Wirkung der Brühtemperatur

Bei einer Brühtemperatur von 86 Grad Celsius werden Kopfnoten leichter und subtiler wahrgenommen. Dies betont fruchtige oder blumige Aromen, während die Herznoten eine ausgeglichenere Intensität und Balance zeigen. Beachtenswert ist, dass die Basisnoten bei dieser Temperatur weniger intensiv sind, was zu einem Espresso mit subtilerer Tiefe führt.


Espresso bei 92 Grad Celsius: Temperatur und sensorisches Profil

Die Temperaturerhöhung auf 92 Grad Celsius verändert das sensorische Profil. Kopfnoten treten in den Hintergrund, während tiefere, reichhaltigere Aromen wie Schokolade oder Nüsse hervortreten. Die Herznoten zeigen sich intensiver und ausgewogener. Bei dieser Temperatur haben die Basisnoten die Gelegenheit, sich vollständig zu entwickeln, was zu einem vollmundigeren und komplexeren Espresso führt.


Die Wahl der Brühtemperatur: Einflussfaktoren und Vorlieben

Die Entscheidung für die optimale Brühtemperatur ist von verschiedenen Faktoren abhängig, darunter die Kaffeesorte, die Röstung und persönliche Vorlieben. Ein Espresso bei 92 Grad Celsius präsentiert sich kräftiger und tiefer im Geschmack, während 86 Grad Celsius subtilere und hellere Nuancen hervorheben kann. Das Experimentieren mit verschiedenen Temperaturen ist daher entscheidend, um die volle Vielfalt des Kaffeeerlebnisses zu entdecken.


Fazit: Die Bedeutung der präzisen Brühtemperatur

Die Brühtemperatur spielt eine entscheidende Rolle bei der Modulation der geschmacklichen Profile von Espresso. Die Wechselwirkungen zwischen Temperatur und Aromen werfen einen nüchternen, wissenschaftlichen Blick auf die Kaffeechemie. Die sensorische Rolle der Zunge sowie die orthonasale, retronasale und gustatorische Wahrnehmung von Kaffee sind wichtige Faktoren, die den Geschmack beeinflussen.

In Bezug auf die Brühtemperatur gibt es eine optimale Temperatur, die zwischen 90 und 96 Grad Celsius liegt. Ist die Brühtemperatur optimal gewählt, sollte man im Geschmack des Espresso eine ausgewogene Balance zwischen Säure und Bitterkeit sowie etwas Süsse finden können.

Durch das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Temperatur und Aromen können Kaffeeliebhaber ihre persönliche Kaffeereise mit einer Vielzahl von Geschmackserlebnissen bereichern.

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